Genusya in Gefahr

Genusya in Gefahr

 

Leserstimme:
„Spannende Geschichte mit überraschenden Wendungen zum Verschlingen :)

(derzeit bei Amazon 22 Rezensionen: 4,3 von 5 Sternen)

 

Klappentext

Inella i Mora, oberste Heerführerin Genusyas, hat gerade die Erlaubnis bekommen, einen Militärstützpunkt in der Hauptstadt zu errichten – da wird Asedam bereits angegriffen. Ein bisher unbekanntes Volk will die Genusyer mit Gewalt auf den richtigen Pfad des Glaubens bringen. Und zwar den des einzig wahren Gottes Narfus. Der kann es gar nicht leiden, dass es in Genusya andere Götter gibt und eine Frau das Land regiert. Das sonst friedliche Genusya scheint unterlegen, doch Inella setzt sich zur Wehr …

Intelligent und witzig erzählt Kassandra S. Katz von dem Kampf gegen Unterdrückung und religiösen Rechtfertigungen. Ein actionreiches Fantasy-Abenteuer.

Das eBook und Buch

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Taschenbuch erhältlich bei www.amazon.de

Wer möchte, kann auch direkt hier kurz reinlesen. So fängt die Geschichte an:

1

Seit heute Morgen, seit Unelde sie zum Abendessen eingeladen und dann nur diesen einen Satz gesagt hatte, nagte es an Inella.
Ich muss dringend etwas mit dir besprechen.
Punkt. Kein Weil. Kein Es betrifft. Nichts weiter, nur dieser eine Satz.
Den ganzen Tag lang hatte sie sich den Kopf zerbrochen. Eine Krise im Land hätte Unelde ihr sicherlich nicht verschwiegen. War Unelde vielleicht krank? Oder war sie unzufrieden mit dem, was Inella bisher geleistet hatte?
Sie ging den Flur in der Asedamer Ratshalle entlang, bis sie an der Tür zu Uneldes Gemächern ankam und anklopfte.
„Unelde! Ich bin es, Inella.“
Sie würde sich nie daran gewöhnen, Unelde i Samatelda mit dem Vornamen anzusprechen. Von klein auf hatte sie Geschichten über Unelde gehört und die Achtung und Verehrung in den Gesichtern der Erzähler gesehen. Seit über dreißig Jahren war Unelde die oberste Ratsfrau des Völkerbundes von Genusya, und nie zuvor war jemand so lange im Amt gewesen.
Mit dem Gedanken, dass Unelde der klügste, gütigste und wunderbarste Mensch war, den sie je getroffen hatte, trat Inella ein und setzte sich an den gedeckten Tisch. Unelde begrüßte sie, schenkte ihnen beiden Wein ein und lehnte sich zurück.
„Halt mich bitte nicht für verrückt oder senil, wenn du hörst, was ich dir zu sagen habe. Ich wollte, ich könnte es einfach damit abtun“, sagte Unelde und betrachtete Inella mit ernster Miene. „Ich habe Angst, Inella. Große Angst. Ich glaube, etwas sehr Schlimmes steht uns bevor. Damit du verstehst, was ich dir jetzt erzählen werde, muss ich dich in ein Geheimnis einweihen. Schwöre mir, dass du es wahren wirst und alles, was wir gleich besprechen, niemals weitererzählst!“
Inella schwor ohne zu zögern.
„Nun denn“, sagte Unelde, „ich werde dir jetzt etwas zeigen. Du wirst gleich ein Bild sehen. Erschrick bitte nicht, es ist nicht wirklich da.“
Ein Bild sehen, das nicht da war? Noch während sie sich wunderte, sah Inella plötzlich eine grüne Frau neben einem gelben Baum vor sich. Es war, als stünde dieses Bild mitten im Raum. Dann verschwand es. Inella rieb sich erstaunt die Augen. Ein blaues Pferd erschien, das über eine Weide galoppierte. Sie starrte es so lange an, bis auch dieses Bild wieder verschwand.
„Du kannst zaubern?“, fragte sie. „Du kannst tatsächlich ZAUBERN? Das ist … einfach wundervoll! Kannst du es mir beibringen?“
Unelde lachte. „Nein, Inella, das kann ich leider nicht. Es ist eine besondere Fähigkeit, die nur wenige Menschen haben. Wir nennen es die Gabe der Bilder. Wir können Bilder senden und empfangen, so übermitteln wir uns gegenseitig Nachrichten. Dazu verwenden wir Symbole, die nicht in der Natur vorkommen, damit sie sich von dem abheben, was wir um uns herum wahrnehmen. Die zwei Bilder, die ich dir gerade gezeigt habe, bedeuten: Hier ist Unelde, komm so schnell du kannst zu mir.“
Schade, dachte Inella, wirklich schade, es wäre aufregend, so etwas zu können, und obendrein so praktisch! „Wenn es noch mehr Menschen mit dieser Gabe gibt, kannst du mir dann fünf zur Verfügung stellen? Die könnte ich sofort an der Grenze zum Skog-Territorium gebrauchen. Überleg doch! In jedem Lager wäre jemand mit der Gabe stationiert, und wenn die Skogs angreifen, dann können wir die anderen Lager ohne jede Verzögerung in Kenntnis setzen. Keine Zeitverluste mehr. Kein Warten auf Brieftauben oder Kuriere. Das würde uns einen echten Vorteil verschaffen! Bitte! Und dann noch jemanden für Passaburg, falls wir Verstärkung brauchen. Du musst doch auch erkennen, wie ungemein sinnvoll das wäre!“
Nach dem letzten Satz stockte Inella. Sie hatte vor einer Minute von dieser Gabe erfahren und sofort an den Nutzen gedacht. Und ausgerechnet Unelde sollte nicht längst selbst auf den Gedanken gekommen sein?
„Unelde, warum ist das ein Geheimnis? Es könnte doch so nützlich für Genusya sein.“
„Ach, Inella“, sagte Unelde. „Es ist schön, dass du so unvoreingenommen reagierst, aber ich fürchte, die Menschen sind nicht bereit für ein solches Geheimnis. Immer noch nicht.“
„Wieso denn nicht?“
„Früher haben die Menschen uns Geistvergifter oder Geiststehler genannt“, erwiderte Unelde leise.
Geiststehler.
Geistvergifter.
Schon die Begriffe jagten einem Angst ein.
Inella hatte diese Bezeichnungen schon einmal gehört. Towaris hatte ihr erzählt, dass vor mehr als vierhundert Jahren diese Menschen gejagt und angeblich ausgerottet worden waren. Und ausgerechnet Unelde sollte so ein Geiststehler sein?
Sie räusperte sich. „Verzeih mir, wenn ich respektlos erscheine, aber es wird mir keine Ruhe lassen, wenn ich es nicht weiß. Wieso wurdet ihr damals so bezeichnet? Kannst du, könnt ihr, meinen Geist ‚vergiften‘? Kannst du meine Gedanken lesen? Kannst du meinen Willen beeinflussen?“
Inella schauderte bei dem Gedanken, und zum ersten Mal, seit sie hier in Asedam war, fühlte sie sich in der Gegenwart von Unelde nicht wohl.
„In gewisser Weise könnte ich das, jedoch nur sehr eingeschränkt. Ich würde so etwas aber niemals tun. Du kennst mich doch, Inella! Glaubst du, ich würde dir oder jemand anderem schaden wollen?“
„Nein, Unelde, tut mir leid. So habe ich das nicht gemeint, aber … es verunsichert mich.“
„Glaube mir, wenn ich dir sage, dass einfach nur verunsichert zu sein noch die beste der möglichen Reaktionen darstellt. Hass und Vernichtung ist das, was wir erfahren haben und was uns auch heute noch bevorstehen könnte. Es muss daher unbedingt ein Geheimnis bleiben.“
Inella nickte.
„Wir wenden die Gabe ausschließlich untereinander an. Wenn zum Beispiel ein Heiler einen Verletzten bei sich hat und das Leben des Kranken davon abhängt. Aber nun genug davon“, sagte Unelde und trank einen Schluck. „Ich denke, du bist jetzt ausreichend informiert.“
Den Eindruck hatte Inella nicht. Dennoch lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück und forderte Unelde auf fortzufahren.
„Nun denn. Es begann vor einigen Wochen. Ich hatte einen furchtbaren Albtraum, in dem ich wie ein Vogel auf Asedam herabblickte und sah, wie Menschen bei lebendigem Leibe von finster gekleideten Soldaten auf Scheiterhaufen verbrannt wurden. Asedam hatte sich verändert. Ein seltsamer schwarzer Turm stand am Rand der Stadt. Oben auf dem Turm wehte eine schwarze Flagge mit hellrot lodernden Flammen. Ich bekomme noch immer eine Gänsehaut, wenn ich daran denke“, sagte Unelde und strich sich über den Unterarm. „Nun denn. Die alte Frau redet Unsinn, wirst du denken. So wie ich es selbst anfangs als Unsinn abgetan habe.“
„Nein, Unelde“, erwiderte Inella. „Das denke ich nicht.“
„Immer wieder hatte ich den Traum, und immer stärker hatte ich den Eindruck, dass es gar nicht mein Traum ist. Jemand mit der Gabe schickt mir diese Bilder, da bin ich mir jetzt sicher. Ich kann sie nur als Warnung deuten. Aber woher kommt diese Warnung? Vor wem sollen wir gewarnt werden? Ich habe mir den Kopf zerbrochen, habe etliche Geschichtsbücher gewälzt und bin doch zu keinem Ergebnis gekommen. Letzte Nacht hatte ich wieder diesen Traum, und diesmal hat ihn ein starkes Gefühl der Dringlichkeit begleitet. Ich bin davon überzeugt, zutiefst überzeugt, dass uns Schlimmes bevorsteht, und ich werde das Gefühl nicht los, dass es uns bald bevorsteht.“
Ein Angriff, dachte Inella. Alles, was Unelde gesagt hatte, deutete auf einen Angriff hin. Die Beschreibung passte nicht auf die Skogs, da war sich Inella sicher. Aber die Usechen? Es lag Jahrhunderte zurück, dass die Usechen Genusya angegriffen hatten. Die Aufzeichnungen aus der Zeit widersprachen Uneldes Beschreibungen, aber sie waren spärlich, und wer konnte schon sagen, wie sich Usechien seither entwickelt hatte?
Im Grunde war es nicht wichtig, wer es war. Wenn tatsächlich ein Angriff bevorstand, dann mussten sie in der Lage sein, sich zu verteidigen.
„Du willst endlich in Asedam einen Militärstützpunkt errichten, deshalb bin ich heute hier, oder?“, fragte Inella.
„Ja. Eine Planung ohne konkrete Vorgaben ist schwierig, das ist mir bewusst, aber wir müssen etwas tun. Manchmal komme ich mir albern vor, auf der Basis eines Traumes solche Maßnahmen zu ergreifen, aber Inella, wenn ich recht habe …“
„Wenn du recht hast, dann müssen wir uns beeilen,“ erwiderte Inella. „Für einen Stützpunkt in Asedam werde ich Geld benötigen. Du wirst den Militärhaushalt aufstocken und die Mittel von anderen Projekten abziehen müssen. Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, wie du die Kürzungen begründen willst, ohne etwas von dem Geheimnis zu verraten?“
„Das wird wohl nicht gehen, deshalb werden wir zumindest Towaris und Mehmer einweihen müssen“, antwortete Unelde. „Ich werde gleich mit Towaris sprechen. Er wird schimpfen und fluchen, wenn ich seine Pläne für die Erweiterung der Bibliothek auf Eis lege, aber er wird es einsehen. Und sprich du bitte mit Mehmer.“
„Das werde ich“, sagte Inella und dachte daran, wie oft sie schon versucht hatte, Unelde zu überzeugen. Sie hatte ihr gesagt, es sei doch zumindest theoretisch vorstellbar, dass die Skogs eines Tages Schiffe bauen würden, dass dann Asedam als Hauptstadt von Genusya ihr vorrangiges Ziel sein könnte. Ihre Argumente waren jedes Mal abgetan worden. Die Skogs bauten keine Schiffe, sie hätten noch nie woanders als an der Nordgrenze und die Usechen schon seit ewigen Zeiten nicht mehr angegriffen. Asedam sei ein Symbol des Friedens und das Militär habe hier nichts verloren. So war argumentiert worden, und Inella hatte sich nicht durchsetzen können.
Bis jetzt.